4 - Die Entwicklungsgeschichte der Organtransplantation: Rück- und Ausblicke [ID:512]
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Ich erzähle Ihnen heute die Entwicklungsgeschichte der Organ-Transplantation. Die Geschichte der

Organ-Transplantation ist 125 Jahre alt und beginnt Ende des 19. Jahrhunderts mit der

Möglichkeit menschliche Organe und Gewebe auf Menschen zu transplantieren, die im Rahmen von

akuten und chronischen inneren Krankheiten an einem Organ versagen leiden. Ich möchte sie nun in den

nächsten 30 Minuten durch diese Entwicklungsgeschichte führen und ihnen dabei die wissenschaftlichen

Höhen und Tiefen dieser Geschichte aufzeigen und ihnen nahebringen, wie aus dieser medizinischen

Idee eine alltägliche Routine geworden ist. Kommen wir nun zu der Zeit der wirklichen Ära

der Pireniere und der Meilensteine in der Transplantationsmedizin. Begonnen hat alles

am Ende des 19. Jahrhunderts mit Emil Theodor Kocher. Er war ein sehr berühmter Kopfchirurg

seiner Zeit. In der Schweiz damals herrschte der Kopf endemisch vor. Die Patienten drohten an ihrem

Kopf zu ersticken. Theodor Kocher war perfektioniert in der Entnahme von Schilddrüsengewebe und konnte

diese Menschen vor ihrem Erstickungstod durch die totale Schilddrüsenentfernung retten. Ein ganz

besonderes Beispiel und bekanntes Beispiel ist das Beispiel dieses Mädchens namens Maria, hier als

ältere Schwester mit ihrer kleinen Schwester abgebildet. Sie litt an einem Kopf und Kocher

entfernte die Schilddrüse dieser Maria komplett. Neun Jahre später musste er aber beobachten,

dass Maria sich in ihrem Wesen und Äußeren total verändert hatte. Sie hatte eine teigige Haut

bekommen und war flechmatisch geworden. Unter anderem musste er feststellen, dass sie nicht mehr

gewachsen war. Ihre kleinere Schwester hatte sie bereits deutlich, war deutlich größer geworden.

Er nannte diese Symptome Kretinismus und Myxidem. Er schloss logisch daraus, dass nachdem er die

Schilddrüse komplett entfernt hatte, die Menschen, die solche Symptome hatten, einen Schilddrüsenersatz

brauchten und überlegte sich, dass er eine Schilddrüsen-Transplantation vornehmen wollte.

1882 war es dann soweit. Er transplantierte die gerade frisch entnommene Schilddrüse bei einem

jungen Mann unter die linke Halsseite, der an diesen Symptomen gelitten hatte und konnte

feststellen, dass der Mann innerhalb von einigen Wochen diese Symptome verlor und wieder ganz normal

am Leben teilnehmen konnte. Kocher erhielt 1909 wegen dieser Untersuchung an der Schilddrüse und

Entdeckung der Schilddrüsenfunktion den Nobelpreis in Medizin. Aber nicht nur das. Zur gleichen Zeit

begannen auch die anderen Chirurgen, diese Operationstechnik nachzuahmen. Es war quasi

die Schilddrüse als erstes Leitorgan in der Transplantation entdeckt worden und man begann

alle möglichen endokrinendrüsigen Gewebe und Organe zu transplantieren. Es wurde zu einem

richtigen Aufschwung in der Transplantationsmedizin. Leider musste man aber feststellen, dass diese

endokrinendrüsigen Gewebe, die transplantiert worden waren, nach einigen Monaten und Jahren

sich aufgelöst hatten und die Effekte verschwanden. Das heißt also, man musste feststellen, dass dies

keine haltbare Form der Transplantationschirurgie war. Und man entfernte sich von dem Gedanken der

Schilddrüsen-Transplantation, wobei Kocher aber logischerweise wieder dachte, wenn das erste

Transplantat gut gehalten hat, für eine gewisse Zeit zwar nur, dann könnte er retransplantieren.

Aber interessanterweise war zu der Zeit 1892 bereits bekannt geworden, dass wenn man Schilddrüsengewebe

pulverisiert, man es auch in Form von Pulver schlucken kann und es den gleichen Substitutionseffekt hat,

wie eine aufwendige Schilddrüsentransplantation. Also entschieden sich die damaligen Transplantationschirurgen,

sich von einem drüsigen Organ zu entfernen und suchten nach einem soliden Organ. Die Niere kam

in deren Fokus. Aber bevor das passierte, entdeckten 1901 Karl Landsteiner in Österreich die

Blutgruppenmerkmale. Bis dahin waren Bluttransfusionen tödlich gewesen, weil es eine

Blutgruppenunverträglichkeit gab, die man bisher nicht erkannt hatte. Landsteiner beobachtete und

entdeckte eben die Blutgruppenmerkmale, sogenannte Zucker-Eiweiß-Moleküle, auf den roten

Blutkörperchen in unserem Körper und konnte deren Verträglichkeit beweisen, nur dass gewisse

Blutgruppen miteinander kompatibel sind. Er rettete somit vielen Menschen das Leben und auch er erhielt

1930 dafür den Nobelpreis in Medizin. Dadurch, durch diese Entdeckung, wurde die Bluttransfusion

die erste erfolgreiche Transplantation und zwar von Zellen. Kommen wir nun zurück zur Niere. 1902

unternahm Emmerich Ullmann in Wien die erste autologe Nierentransplantation am Hund. Was war

das nun genau? Er entnahm einem Hund die Niere und pflanzte diese Hundeniere an die Halsseite des

Hundes, um zu beweisen, dass die Niere funktioniert, indem er die Nierengefäße an die Halsgefäße des

Teil einer Videoserie :

Presenters

Dr. Katharina Pressmar Dr. Katharina Pressmar

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:28:38 Min

Aufnahmedatum

2008-01-10

Hochgeladen am

2017-07-06 17:23:12

Sprache

de-DE

Die Entwicklungsgeschichte der Organtransplantation erzählt von der wahr gewordenen Idee, Organe zu verpflanzen um akut oder chronisch kranken Menschen das Leben zu retten. Ihr Ursprung findet sich in einer Vielzahl von Legenden und Mythen aus vergangenen Zeiten und Kulturen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gleicht sie einer spannenden Abenteuergeschichte, die von Pionieren und schwer erkämpften Errungenschaften über Perfektion chirurgischer Techniken, Erkenntnisse der natürlichen Immunologie und Entwicklung derimmunsuppressivenTherapie erzählt. Im Jahr 1954 ist es dann soweit, in den USA wird die erste menschliche Nierentransplantation durch eine Lebendnierenspende erfolgreich durchgeführt.
Seithernimmtdie Organtransplantation und die mit ihr verbundene Transplantationsmedizin weltweit einen deutlichen Aufschwung. Von 1963 bis 2006 sind allein in Deutschland über 83.000 Organe übertragen worden. Der steigende Bedarf an Spenderorganen wird heute durch ein straff organisiertes Netzwerk von Stiftungen in Europa und Deutschland koordiniert.
Trotz dieser Erfolge auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin gibt es ungelöste Probleme: der Mangel an ausreichenden Spenderorganen, Organabstoßungen und die bis heute nur begrenzte Haltbarkeit der Transplantate.
Neben einer zunehmenden Aufklärung der Bevölkerung über Organtransplantation, zu der auch diese Vorlesung beitragen soll, um Unsicherheiten und Angst zu nehmen und die Einsicht in die Spendebereitschaft zu stärken, wird heute weltweit fieberhaft nach Alternativen in der Transplantation und experimentellen Lösungsansätzen (Xenotransplantation, "tissueengineering") gesucht.
Ein Ende der Entwicklung der Transplantationsmedizin, die eines der größten Herausforderungen in der heutigen Medizin ist, ist noch nicht abzusehen.

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